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AutorenbildThomas

Trauer erinnert uns an die Liebe

Mein Vater ist 1993 gestorben. Ich liebe ihn und denke immer noch an viele gemeinsame Erlebnisse zurück. Er starb an Darmkrebs, und für mich war es eigenlich nicht mehr so schlimm, dass er gestorben ist, sondern das Jahr zuvor, wo mein vor Kraft strotzender Papa immer mehr und mehr verging, und wo ich nichts tun konnte, als mich auf seinen Tod vorzubereiten.


Wir lebten damals schon in Oberösterreich, als der Anruf kam "es ist jetzt bald soweit, es ist Zeit zum verabschieden". Als ich in Tirol ankam, war mir, als hätte Papa nur auf mich gewartet. Es waren nicht alle Geschwister da, die hatten sich großteils schon verabschiedet, nur Mama und zwei Schwestern waren noch da, alle sind im Zimmer gesessen und haben geweint. Ich habe Papas Kopf auf meinen Schoß gebettet, geweint, ihn gestreichelt und gesagt, dass er ein wunderbarer Papa war, dass wir alle gut aufeinander acht geben, und dass er loslassen kann. Zuerst habe ich gemerkt, wie er sich entspannte und ruhiger atmete. Dann war es, als ob er nochmals einen tiefen Atemzug nahm, und er hörte auf zu atmen.


Trotz all dem Schmerz in mir war dieser Augenblick doch irgendwie wunderschön, zu sehen, wie er entspannte, und zu wissen, dass sein schweres Leiden zu Ende war. Ich habe von Papa viel geschenkt bekommen, und dieser Augenblick war eines der schönsten Geschenke für mich.


Da wir uns nur 3-4mal im Jahr getroffen hatten, waren die Auswirkungen auf mein tägliches Leben minimal, und es ist eigentlich leicht für mich gewesen, zum Alltag zurück zu kehren. In den letzten 30 Jahren sind zwar einige Menschen gestorben, die ich gern habe, jedoch niemand, mit dem ich täglich in Kontakt bin


Dann starb unsere Katze Muini. Wir waren kurz davor, in Urlaub zu fahren, und haben uns schon Sorgen gemacht, obwohl Muini noch fit und lebensfroh war, war sie bereits 20 Jahre alt. Wir hatten befürchtet, dass sie sterben könnte, wenn wir im Urlaub sind, und wir uns nicht verabschieden können, doch sie ging schon vorher. Sie hat Nachmittags noch gespielt, war frisch und munter, hat abends kurz auf sich aufmerksam gemacht, sich hingelegt und aufgehört zu atmen.


Nicola und ich, Michael, Florian und deren Freundinnen waren da, wir haben Muini sicher noch eineinhalb Stunden gestreichelt und gemeinsam geweint. Für mich war es ein anderer Abschied als der von Papa, es traf mich unvorbereitet und Muini war ein Teil unseres täglichen Lebens. Auch wenn sie "nur" ein Tier war, ist über Wochen kein Tag vergangen, an dem Nicola und ich nicht um sie getrauert haben. Gleichzeitig liegt in diesem Schmerz auch Trost. Zum Einen können Nicola und ich gegenseitig die Trauer zulassen, keiner von uns ist allein damit, zum Anderen erinnert uns die Trauer daran, dass wir so viel Liebe und schöne Erinnerungen an Muini haben.


Für mich gibt es zwei Dinge, die mir im Schmerz des Verlustes Halt geben:

  1. Die innere Gewissheit, dass zwar der Körper irgendwann vergeht, aber nicht der Charakter, das Wesen. Dies verlässt den Körper und ich kann  über die Liebe dazu noch immer Kontakt halten. Ich trage eine Sicherheit in mir, dass ich, wenn auch ich das körperliche Leben beende, meine Lieben wieder sehe.

  2. Meine Erfahrung, dass die Trauer nur deshalb kommt, weil so eine große Liebe da ist, und dies nehme ich als Erinnerung an die wunderschöne Zeit, die wir gemeinsam verbringen durften. Damit bekommt der Schmerz für mich irgendwie etwas Tröstliches. Konfuzius formulierte es so: "Leuchtende Tage. Nicht weinen, dass sie vorüber. Lächeln, dass sie gewesen"


Vielleicht hilft das Teilen, wie ich mit Verlust umgehe, manchen, die das lesen, ein kleines bisschen weiter, und auch wenn es nicht ganz leicht für mich war, mich hier so verletzlich zu zeigen, so hat es mir doch gut getan, es niederzuschreiben. Thomas




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