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Sprache als Schlüssel zum Miteinander

Mit Bitten statt Forderungen Ziele erreichen - mit gewaltfreier Kommunikation im Business

Autorenbild: ThomasThomas

Ich bin seit 2015 Erstleser (das ist der „Prüfer“) im Trainer-Anerkennungsteam beim deutschen Fachverband für Gewaltfreie Kommunikation. Diese Tätigkeit bringt mir immer wieder Herausforderungen. Einerseits möchte ich sicherstellen, dass ich im Anerkennungsprozess auf Augenhöhe mit den Menschen kommuniziere, andererseits bin ich in der Situation verantwortlich für die Entscheidung, ob eine Anerkennung als Trainer:in erfolgt. Dabei befürchten die meisten meiner Kandidat:innen eine Prüfungssituation, sind jedoch am Ende stets begeistert ob der Augenhöhe und Gleichwertigkeit, die zu leben ich mir als Aufgabe gestellt habe.

 

Eines der entscheidenden Kriterien sind drei Konfliktdokumentationen. Die Kandidat:innen dokumentieren drei eigene Konflikte, supervidieren diese und besprechen sie anschließend mit der Erstleserin oder dem Erstleser. Ich arbeite in einem Team mit einer Zweitleser:in, die die Konfliktdokumente auch liest und mit mir bespricht. Als Erstleser führe ich die Gespräche mit den Kandidat:innen.

 

In den Gesprächen mit einem Traineranwärter fand ich viele Übereinstimmungen in der Art und Weise, wie er Gewaltfreie Kommunikation versteht und weitergibt. Dennoch war ich unsicher, ob der Kandidat die für eine Trainer:in wichtige Klarheit über Unterschiede hat, denn einige Antworten in den schriftlichen Unterlagen schienen im Widerspruch zu den Ergebnissen des Gesprächs zu stehen. Kurz vor Weihnachten schrieb ich ihm daher folgende E-Mail (Namen geändert):

 

„Lieber Kai,

Beim Besprechen deiner dritten Konfliktdokumentation haben wir im Anerkennungsteam in den Antworten auf die Fragen viele Stellen gelesen, die nicht auf die jeweiligen Fragen eingegangen sind. Da sind wir etwas verunsichert, da wir Klarheit für wichtig erachten, wenn wir als Trainer:innen die Gewaltfreie Kommunikation weitergeben. Daher bitte ich dich, die dritte Konfliktdokumentation nochmals zu überarbeiten und die Fragen kurz, klar und bündig zu beantworten. Nachdem ich bereits zwei Konfliktdokumentationen mit dir besprochen habe, hoffe ich, dass dir die Intention hinter den jeweiligen Fragen klar ist.

Ich werde deine Anerkennung nicht davon abhängig machen, es ist also wirklich eine Bitte, und keine Forderung. Gleichzeitig würden wir uns wohler fühlen, wenn wir sehen, dass du beim Beantworten mit Klarheit auf die jeweiligen Fragen eingehen kannst. Und wir haben uns überlegt, dass dies auch für dich eine Möglichkeit ist, deine Erkenntnisse der ersten beiden Konflikt-Dokus nochmals zu reflektieren, was vielleicht erstrebenswert ist, weil es Lernen und Wachstum unterstützt.

Deshalb meine Bitte: Bist du bereit, bis zum 10.Jänner deine dritte KonfliktDoku dahingehend zu überarbeiten, dass du aus deinen jetzigen Antworten alles herausfilterst, was nicht genau diese Frage beantwortet. Ich freue mich, diesbezüglich von dir zu hören.

Herzliche Grüße und frohe Weihnachten,

Thomas“

 

Ich vertraute, dass ich mit Kai eine andere Strategie für Klarheit finden würde, falls er nicht bereit wäre.

Er überarbeitete freiwillig die Konfliktdokumentation und ging sehr fokussiert auf die einzelnen Fragen ein. Ich war begeistert von der Klarheit, die dadurch entstanden ist.

Später gab er mir Rückmeldung, dass er zunächst gezweifelt hatte, da er über die Feiertage Ruhe genießen wollte. Beim nochmaligen Lesen seiner Dokumentation wurde ihm jedoch klar, dass viele seiner Antworten nicht wirklich auf die Fragen eingegangen waren. Deshalb nutzte er die Gelegenheit, diesen Konflikt (in dem auch seine Partnerin involviert war) gemeinsam mit ihr anhand der Dokumentation zu reflektieren. Das führte zu einem wunderbaren verbindenden Gespräch, in dem er viel über sich, über seine Partnerin, über ihre Beziehung und die entscheidenden Nuancen gewaltfreier Kommunikation lernte.

 

Als ich das hörte, war ich glücklich, denn Sinnhaftigkeit und Selbstbestimmung bedeuten mir viel. Inzwischen haben wir die Anerkennung abgeschlossen, und Kai ist nun offiziell ein Trainerkollege im Fachverband. Für mich ist dies ein wunderbares Beispiel dafür, dass wir mit klaren Bitten sehr wirkungsvoll sein können, ohne fordern zu müssen. Jahrzehntelange Erfahrung in der Führung zeigt mir, dass dies auch im Business zutrifft.


Ich vermute, hätte ich die Überarbeitung der Dokumentation gefordert, hätte Kai nicht mit so viel Enthusiasmus reagiert, und ich hätte mich nicht so sehr darüber gefreut, wenn ich es als Pflicht gesehen hätte.

 

Liebe Leser:in, wie gelingt es dir, deine Ziele mit Bitten statt mit Forderungen zu erreichen?

 

Herzliche Grüße,Thomas


high five am Berg
Gemeinsam Ziele erreichen

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