Sehr oft erlebe ich in Diskussionen oder auch im Meinungsaustausch, dass vom Gegenüber die Worte: „Ja, aber...“ fallen und daraufhin dessen Argument folgt. ist Das ist für mich so, als ob das vorher von mir Gesagte abgewertet und weggewischt wird. Da regt sich in mir Widerstand, und ich bemerke die Tendenz, meinerseits die Offenheit für das Gesagte zu verlieren und das Eigene zu verteidigen.
Es geht meines Erachtens nicht nur um den Wortlaut, es ist vor allem die Haltung dahinter. Ich selber möchte nicht in einer Diskussion gewinnen, indem mein Gegenüber von meinem überzeugt wird, oder zumindest klein bei gibt. Ich wünsche mir Offenheit, die mir so wichtig erscheint, um tragfähige Lösungen zu finden, die tatsächlich die Bedürfnisse aller berücksichtigen. Das bedeutet für mich nicht, immer alle Bedürfnisse zufriedenzustellen, sie jedoch zumindest anzuhören und mit zu bedenken, erachte ich als wichtigen Schritt zum nachhaltigen Miteinander.
Mit den Studenten an der FH mache ich seit vielen Jahren eine Übung, wo sie in einem Rollenspiel kontroverse Sichtweisen einnehmen, und diese auf zwei Arten diskutieren. Zuerst indem sie mit den Worten „Ja – Aber...“ antworten, worauf sie die eigenen Argumente einbringen und dann auf eine ganz andere Art: Sie geben zuerst wieder, was sie verstanden haben und checken ab, ob sie den Kern der Botschaft des Anderen erfasst haben. Dann sagen sie: „Und gleichzeitig...“, und bringen ihre eigenen Argumente.
Hier berichten sie von ihren Erfahrungen:
„In Situationen, in denen ich früher reflexartig mit einem „Ja, aber…“ geantwortet hätte, lernte ich die alternative Technik des „…und gleichzeitig…“. Diese Methode half mir dabei, das Gesagte meines Gegenübers anzuerkennen, ohne mein eigenes Anliegen zurückzustellen. Diese Veränderung hatte unmittelbare Auswirkungen: Ich stellte fest, dass die Gespräche weniger konfrontativ und offener wurden, was zu einem tieferen Verständnis und mehr Kooperation führte. Dies möchte ich in Zukunft weiter vertiefen, indem ich bei Konflikten oder kritischen Gesprächen gezielt darauf achte...“
„Ich habe verstanden, wie wichtig es ist, Meinungsverschiedenheiten auf konstruktive Weise zu lösen und sich besonders darum zu bemühen, andere Meinungen so zu formulieren, dass man gemeinsam zu einem Ergebnis kommt. Die Übung, in der wir über einen Urlaub diskutiert haben , war für mich besonders aufschlussreich. Anfangs haben wir jede Frage mit „Ja, aber...“ beantwortet, was oft zu Spannungen führte. Als wir stattdessen mit „..., und gleichzeitig...“ antworteten, fiel es uns viel leichter, Kompromisse zu finden und ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln. Das hat mir gezeigt, wie die Art der Formulierung den Verlauf einer Diskussion beeinflussen kann.“
„Konfliktbewältigung: Ein Beispiel, das wir im Seminar durchgespielt haben, war die Anwendung der Formulierung „und gleichzeitig …“ anstelle von „ja, aber… “. Diese Technik fand ich besonders hilfreich und spannend, da sie ermöglicht, positiv auf Vorschläge einzugehen und gleichzeitig eigene Ideen einzubringen, ohne die Ideen anderer abzuwerten.“
Diese Rückmeldungen bestärken mich darin, dass die Kooperationsbereitschaft auf beiden Seiten stark ansteigt, wenn wir uns auf das Gehörte einlassen, bevor wir unsere Argumente einbringen. Dabei geht es nicht nur um den Wortlaut, sondern auch darum, dass wir die Gleichwertigkeit beider Gesprächspartner zulassen und uns damit auf die Meinung des Gegenübers einlassen, ohne unsere eigene Meinung herabzusetzen. Dass wir auch einer anderen Meinung oder Sichtweise gegenüber offen sind, was für mich auch Offenheit für Entwicklung bedeutet. Peter Wilberg formuliert es so: „Offenes Zuhören bedeutet, bereit zu sein, sich Neuem von Seiten anderer auszusetzen“.
Gerade in dieser Zeit, wo ich oft erlebe, wie sich zwischen verschiedenen Meinungen immer größere Gräben auftun, brauchen wir diese Haltung der gewaltfreien Kommunikation, um die Gräben zu überwinden und Brücken zu bauen. Ich lade dich ein, es einfach zu probieren, und würde mich über Rückmeldungen über deine Erfahrungen damit freuen.
Thomas

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