Kürzlich wurde ich gebeten, eine Gruppe beim Klären eines Konfliktes zu unterstützen. Die Person, die mich gebeten hat, war Teil dieser Gruppe und war verzweifelt, ich nenne sie A. Sie wusste nicht, wie sie ihren Schmerz ansprechen sollte, ohne einen großen Hickhack auszulösen, und sie hatte auch die Sorge, dass sie nicht gehört werden würde. Nachdem ein Termin gefunden war, wo alle dabei sein konnten und auch bereit waren, sich von mir unterstützen zu lassen, habe ich einfach dafür gesorgt, dass die angesprochene Person (ich nenne sie B.) wiedergibt, was sie verstanden hat. Dabei stellte sich heraus, dass B. Vorwürfe gehört hatte, die ich nicht heraushören konnte.
Daraufhin fragte ich A., ob sie wirklich Vorwürfe machen wollte, oder ob es ihr einfach darum geht, dass sie mit ihrem Schmerz gesehen wird um gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Natürlich war dies ihr eigentliches Anliegen, und nachdem B. dies gehört hatte, hat sich die Situation schon etwas entspannt. Als dann A auch die Unsicherheit und das schuldig fühlen von B. gehört hat, entstand Freude am Kooperieren, dann hat dann die ganze Gruppe am Lösung suchen mitgewirkt. Am Ende waren alle motiviert, froh und zuversichtlich, dass es vorangehen kann.
Eines der Dinge, die ich an unserer Arbeit so liebe, ist das Mit-erleben, wie andere Menschen mit Konflikten umgehen. Nicola und ich hören uns inzwischen mit einer Selbstverständlichkeit zu, die uns gar nicht bewusst wäre, wenn wir nicht ständig erleben würden, dass dies eben nicht selbstverständlich ist.
Wir sind da auch schon etwas "verwöhnt". Nicola erzählt mir oft von Gesprächen, bei denen sie unzufrieden war. Beispielsweise deshalb, weil sie einer Freundin erzählt hat, dass es ihr nicht gut gehe, und als Antwort prompt so etwas wie: "Ach schau, das ist doch nicht so schlimm, bei mir ist es ..." bekam. Ich äußere in solchen Fällen meine Vermutung, worum es Nicola geht, und zeige damit, dass ich sie höre und auch versuche, zu verstehen. Da klingt in diesem Fall etwa ungefähr so: "Bist du da unzufrieden, weil du gerne Interesse erleben möchtest?" Das ist für uns die gewohnte Art, miteinander zu reden, dies scheint aber für viele Menschen ungewohnt zu sein.
Fast alle von uns haben schon einmal von wem gehört: "Du hörst mir nicht zu". Oft weiß die Person, die dies sagt, gar nicht so genau, weshalb sie den Eindruck hat, nicht gehört zu werden. Meist steckt der Gedanke dahinter, dass nicht auf das Gesagte eingegangen wird, oder dass die eigentliche Botschaft nicht verstanden wurde.
Wie können wir unserem Gegenüber zeigen, dass wir zuhören, auch wenn wir nicht derselben Meinung sind?
Zuerst ist es wichtig, zu erkennen, dass Zuhören nicht bedeutet, zuzustimmen, jedoch, dass Zuhören für ein konstruktives Miteinander unabdingbar ist. Mir hat ein Teilnehmer einmal erzählt, er höre oft nicht zu, weil er sonst befürchte, die Meinung des Anderen zu übernehmen. Diese Einstellung macht ein Miteinander aus unserer Sicht fast unmöglich. Es braucht die Offenheit, sich Neuem von Seiten anderer auszusetzen.
Wenn uns dies klar ist, gibt es eine einfache Methode, zu zeigen, was wir gehört haben:
Wir fragen: "Möchtest du wissen, was ich von dir verstanden habe?", und wenn die andere Person zustimmt, sagen wir, was bei uns gelandet ist, offen dafür, dass das Gegenüber noch etwas ergänzen kann. Wenn wir das selbst machen, dann ist es auch einfach, zu fragen: "Würdest du mir auch sagen, was du verstanden hast?", nachdem wir von uns erzählt haben.
Dies erscheint vielleicht aufwändig, ist aber in Wirklichkeit sehr effizient, weil wir dann nicht auf Dinge reagieren, die unser Gegenüber gar nie sagen wollte. Darüber hinaus steigt auf beiden Seiten die Kooperationsbereitschaft, wenn die eigene Meinung gehört und verstanden wird.
Ich lade dich ein, beim nächsten Gespräch einfach einmal zuzuhören, ohne den Anspruch, etwas dazu sagen zu müssen. Dies ist für viele von uns eine neue und beglückende Erfahrung. Ich freue mich über Rückmeldungen, wie es euch so geht mit dem Zuhören.
Thomas
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