Kürzlich war eine Frau bei mir im Individualtraining, die Unterstützung gesucht hat bei einer Entscheidung. Ihre Sorge war, dass Sie nicht die "richtige" Entscheidung treffen könnte. Zuerst war es ein etwas längerer Prozess, herauszufinden, um welche Entscheidung es überhaupt geht, da es mehrere Entscheidungen gab, die zu treffen waren.
Wir haben in einem Prozess alle Stimmen, die da in ihrem Inneren mitsprachen, benannt, jeder Einzelnen zugehört und die Bedürfnisse, für welche diese Stimme steht, ans Licht gebracht. Danach habe ich die Frau unterstützt, konkrete Handlungsstrategien zu finden, welche diese Bedürfnisse erfüllen können.
Dabei hat sich klar eine Entscheidung gezeigt, die die Erfüllung aller gefundenen Bedürfnisse ermöglicht, wenn einige zusätzliche Schritte gesetzt werden.
Am Ende des Prozesses sagte sie: "Ja, das klingt jetzt sehr klar und einleuchtend, aber ist es die richtige Entscheidung? Vielleicht sagt das nur mein Ego, weil ich mir das einrede, und es ist trotzdem die falsche Entscheidung!"
Ich war da etwas betroffen und es stimmte mich nachdenklich, da für mich der Gedanke, „richtig“ zu entscheiden zu müssen , ziemlichen Druck auslöst. Ich war 30 Jahre als Offizier beim Bundesheer, einer unserer Leitsätze war: „Jede Entscheidung ist besser als gar keine“. Wir wurden stets ermutigt, einen „Entschluss mit Begründung „ zu fassen, damit habe ich viele Jahre lang Erfolg gehabt. Deshalb möchte ich heute gerne meine persönliche Sichtweise in Bezug auf Entscheidungen teilen.
Vielleicht kennen das einige Leser*innen, dass wir bei manchen Entscheidungen sehr unsicher sind, und immer wieder damit hadern, vielleicht auf ein Zeichen oder jemanden warten, das oder der uns endlich sagt, was die RICHTIGE Entscheidung ist.
In „Die Kunst des klaren Denkens“ von Rolf Dobelli hab ich gelesen, dass wir - egal wie wir uns entscheiden - schlussendlich fast immer damit zufrieden sind, weil wir uns dann damit arrangieren. Viel schlimmer als die „falsche“ Entscheidung ist es also, sich nicht zu entscheiden (was ja eigentlich auch eine Entscheidung ist).
Aus meiner Sicht ist eine „falsche“ Entscheidung nichts anderes als ein Entschluss, den ich mit der Erfahrung, die ich dadurch gemacht habe, anders treffen würde.
Mit einem anderen Entschluss kommen andere Erfahrungen, die mich vielleicht wieder eine andere Entscheidung treffen lassen würden.
So gesehen gibt es gar keine „falsche Entscheidung“, sondern nur das Problem, nicht zu entscheiden. Dies kostet am meisten Kraft, und dadurch , dass ich ohne Entscheidung auch keine Schritte setze, bewege ich mich im Kreis.
Da fällt mir folgende Metapher ein:
Wenn ich mich in einem Wald verlaufen habe (was mir bereits einige Male beim Laufen passiert ist), dann entscheide ich mich rasch für eine Richtung, da laufe ich hin, in der Gewissheit, dass ich mich dann wieder zurecht finden werde. Vielleicht komme ich dann drauf, dass eine andere Richtung kürzer gewesen wäre, doch ich finde wieder zurück. Wenn ich jedoch nur da, wo ich bin, im Kreis laufe, finde ich sicher nicht aus dem Wald.
Ich habe schon oft Menschen bei Entscheidungen begleitet, immer auf Basis der Bedürfnisse, und ich habe bisher noch nie die Rückmeldung bekommen, dass jemand unzufrieden war mit der getroffenen Entscheidung. Wenn ich auf Basis der Bedürfnisse entscheide, dann erforderliche Schritte setze, um möglichst alle Bedürfnisse zu berücksichtigen, brauche ich nicht die absolute Klarheit und Orientierung, um zu entscheiden. Die Entscheidung selbst ist eine Strategie für Klarheit und Orientierung.
Hier können unsere Bedürfnisse für uns Wegweiser sein, dadurch sind wir mit dem Leben verbunden und haben einen inneren Kompass, auf den wir uns 100%ig verlassen können. Ich habe mich entschieden, meinen sicheren, super bezahlten Beamtenberuf aufzugeben und stattdessen selbständig als GFK-Trainer zu arbeiten - ich bereue es nicht einen einzigen Tag.
Viel Spaß beim Entscheiden. Ich würde mich über Rückmeldungen freuen.
Thomas
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