Heute bin ich – wieder einmal - total beflügelt und bewegt heim gekommen von „meiner“ Giraffenklasse. Dort begleite ich seit Oktober 2022 gemeinsam mit der Klassenlehrerin und einer GFK-erfahrenen Mutter eine Giraffenklasse mit 23 Kindern zwischen 9 und 12 Jahren. Zu Beginn unserer gemeinsamen Zeit erschien mir diese Erfahrung in der Giraffenklasse oft als nicht zu meistern und ich zweifelte öfters, in wie weit mein – durchaus großer – Einsatz Sinn machen würde. Jetzt, gegen Ende unserer gemeinsamen Zeit revidiere ich diese Vorstellung voll und ganz. Die „Samen“ keimen und wachsen und sind teils schon beeindruckende „Pflanzen“ geworden. Wir können gemeinsam die Früchte ernten und genießen. Zum Teil sind diese „Früchte“ für mich ein himmlischer Genuss. Hier ein paar Beispiele dazu:
Als ich frühmorgens in unseren Raum kam, kam P. freudestrahlend auf mich zu und sagte: “Nicola – es ist schon viel besser geworden!“ Ich hatte am letzten Donnerstag spontan „hart gearbeitet“ mit P.'s Anliegen und vier der Jungs aus der Klasse. Es war darum gegangen, dass sie alle Freunde sind, dass P jedoch oft leidet, weil seine Freunde Handlungen setzen, mit denen es ihm ganz und gar nicht gut geht und wo er eine Lösung braucht(e) – dringend! In dem Gespräch kam es letztendlich zu einer Lösung, mit der P. zufrieden war. Heute, eine Woche später, von ihm Obiges zu hören freut mich riesig und ich konnte mit ihm seine Erleichterung und unseren gemeinsamen Erfolg so richtig genießen.
Dann erzählte mir U., die Klassenlehrerin, dass die selben Jungs, die eine Woche zuvor durchaus gestöhnt hatten unter der „harten und zehrenden“ Arbeit des gemeinsamen Klärens mit hören und gehört werden, meinten, dass sie auch nächstes Jahr unbedingt eine Giraffenklasse haben möchten. Das zu hören motiviert mich unglaublich und ist großer Lohn für mich, weil ich damit eine sinnstiftende und erfüllende Arbeit tun kann und beitragen zu jenem Miteinander, das ich mir für die Kinder in dieser Schule – und überhaupt für alle Menschen – ersehne.
Nach anfänglicher Scheu und Skepsis so mancher Kinder ist nun – ein halbes Jahr später – eine Vertrauensbasis entstanden, auf der die Kinder sich zu öffnen beginnen.
Letzten Donnerstag kam J., ein Mädchen aus der Klasse in der Pause zu mir und meinte:“ Nicola kann ich mit dir reden?“ Und dann erzählte sie mir, dass sie darunter leide, dass ihre einst beste Freundin nun nicht mehr mit ihr spiele und dass es viele Situationen gäbe, die sie sehr belasteten und sie meinte, ob es möglich wäre, dass sie das in ihrer Giraffengruppe das nächste Mal anspräche, um dafür eine Lösung zu finden.
Das Gespräch fand heute, mit entsprechender Vorbereitung meinerseits und in Absprache mit der Klassenlehrerin, statt. Dieses Erlebnis bewegt mich ganz tief und ich bin stark beeindruckt von der Fähigkeit von J., ihr Anliegen ehrlich vorzubringen, ihre Freundin L. und deren neue Freundin E., zu hören und das Gesagte an- und ernst zu nehmen.
Im weiteren Gespräch erzählten auch andere Mädchen und ein Junge aus der Gruppe ihre Sicht und boten J. an, sie zu unterstützen, weil diese sich gewünscht hatte, zumindest bei den anderen Anschluss zu finden, um Freunde zu haben und sich wohl zu fühlen in der Schule. Ich hörte zum Beispiel dann von V.:“ J., du kannst immer zu mir kommen, ich helfe dir gerne und möchte wirklich, dass es dir gut geht.!“ Weitere derartige Rückmeldungen anderer Kinder folgten. Im Verlauf des Gespräches konnte ich am Gesichtsausdruck von J. erkennen, wie sie entspannter und gelöster wurde. Sie sagte auch, es gehe ihr jetzt besser mit diesem Rückhalt, sie gewinne wieder Zuversicht und könne vertrauen, dass sie dazu gehörte.
Eingeladen von J.´s Mut kam dann gleich noch ein ähnliches Anliegen – von einem anderen Mädchen – aufs Tablett und konnte respektvoll und wohlmeinend gelöst werden. Ich habe großen Respekt vor der Fähigkeit der gesamten Gruppe, das ruhig und mit Geduld zu bewältigen – ganz im Gegensatz zu Situationen am Anfang unserer gemeinsamen Zeit. Diesen unglaublichen Fortschritt an Miteinander, Zusammenhalt und auch Disziplin zu erleben, löst „himmlische“ Gefühle bei mir aus.
Bei einem Glas Wein habe ich mit Thomas gefeiert und genossen. Ich freue mich über diese Ehre, diese – wie ich finde – couragierten jungen Menschen in die Welt des friedlichen Miteinanders begleiten zu dürfen. Und bei dieser Gelegenheit bedanke ich mich offiziell – wieder einmal – bei M.B.Rosenberg und Dominic Barter („restorative circles“) für das so hilfreiche Werkzeug dazu!
Ich freu mich, liebe Leserin, lieber Leser, wenn du mir schreibst, wie es dir mit dieser Friedischgeschichte geht.
Nicola
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